Hannes und KatrinHannes Phillipp war von 1991 bis 2013 Geschäftsführer des VEN. Ihm folgte die amtierende Geschäftsführerin Katrin Beckedorf. Barthel Pester hat mit ihnen darüber gesprochen,wie die Arbeit des VEN begann und sich über die Zeit entwickelte.


Wie war das 1991, als der VEN gegründet wurde? Gerhard Schröder war damals Ministerpräsident, und deutsche Entwicklungspolitik noch mehr von innenpolitischen Interessen bestimmt als heute.

Hannes Philipp: Es gab zum Start des VEN 1991 den Begriff „Entwicklungspolitische Inlandsarbeit“ überhaupt nicht. Vorher war es den Bundesländern verboten Entwicklungspolitik zu machen. Nur das Auswärtige Amt war dafür zuständig, das war alles dem Bund zugeordnet. Also, dass man Entwicklungspolitik im Land macht, war absolut neu. Wir haben damals Verblüffung ausgelöst, indem wir gegenüber Schröder und anderen Politikakteur*innen gesagt haben: Deutschland ist Entwicklungsland. Dann war erst einmal ein Stocken beim Gesprächspartner*innen: „Deutschland und Entwicklungsland? Wir sind doch die Spitze, wie kann das denn angehen?“ Aber es ist uns dann gelungen, den Leuten dieses Kapitel der Inlandsarbeit nahezubringen. Wir mussten dabei manchmal über den Umweg Bildung gehen. So haben wir es auch geschafft, dass Entwicklungspolitik nicht mehr als das gesehen wird, was „Brot für die Welt“ oder „misereor“ daraus gemacht hatten. Entwicklungspolitik ist so viel mehr als Helferlein-Politik. Wir haben gesagt, die Sparbüchse reicht nicht, die Sammelbüchse reicht nicht. Wir müssen hier in diesem Land etwas verändern, sonst haben Andere keine Chance.


Und wie habt ihr das finanziert?

HP: Wir hatten schon länger die Idee eine Lotterie zu gründen – unabhängig vom Staat; um damit zivilgesellschaftliches Engagement zu unterstützen. Die Politik ließ uns nicht. Die Bundesländer befürchteten damals, dass ihnen die Lotto-Einnahmen wegbrechen würden. Auch Heiner Aller, der damals Finanzminister von der SPD war, versuchte 1989 eine eigene Lotterie zu gründen. Wir haben uns dann mit ihm in einer Kneipe getroffen und verhandelt, dass es eine Stiftung für Umwelt und für Entwicklung gibt. Die Landesregierung wollte mit den Einnahmen nur Umweltprojekte fördern. Wir haben sie davon überzeugt, dass das nicht ausreichend ist und auch Entwicklung gefördert werden soll. So ist die Bingo-Lotterie entstanden und mit ihr die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung. Zum Start des
VEN gab es auch erstmals Geld für Nicht-Regierungs-Organisationen über die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen. Jürgen Trittin hat dafür gesorgt, dass Zivilgesellschaft – zumindest in Teilen – finanziert wurde.


Ich vermute, dass es nicht immer so reibungslos mit der Förderung lief ...

HP: Das stimmt. Beispielsweise wurden die Mittel für politische Bildung stark gestutzt. Christian Wulff hat während seiner Amtszeit die politische Bildung in Niedersachsen fast komplett gestrichen. Das traf viele und das traf auch uns. Aber ich finde, man muss einen langen Atem haben. Politik hat lange versucht, unsere Arbeit zu verhindern. Aber wenn Viele zusammenhalten, schafft die Politik das nicht. So einfach ist das. Es geht ja auch nur, wenn viele Menschen zusammenarbeiten und erkennen, dass man in Netzwerken wirken muss.


Ein Selbstverständnis des VEN und seiner über 100 Mitgliedsorganisationen ist ja, die Landespolitik kritisch zu begleiten. Wie knifflig ist es, einerseits finanziell abhängig vom Land zu sein und andererseits Kritik an der Entwicklungspolitik zu üben?

HP: Wir mussten lernen Politik nicht nur zu begleiten, sondern auch zu beraten. Da kommen wir auf den Begriff des „Lobbyierens“. Es gab eine Gruppe um Jürgen Trittin, mit der man reden konnte. Aber wir hatten sehr schnell gelernt, dass man sich nicht an einer Partei oder einzelne Personen hängen darf. Wir haben stets auch den Kontakt zu SPD und CDU gepflegt. Das Ergebnis ist, dass sich keine Regierungspartei in den vergangenen 30 Jahren getraut hat, die Finanzierung für den VEN zu kippen. 

 

Hier geht es zum zweiten Teil des Gespräches über die aktuelle Arbeiit des VEN.

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