Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung strukturell stärken!
Wir, die zivilgesellschaftlichen Akteur:innen auf dem WeltWeitWissen-Kongress kommen zusammen, um gemeinsam zu diskutieren, wie Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung im Sinne der Frankfurter Erklärung für eine kritische-emanzipatorische politische Bildung einen entscheidenden Beitrag für eine gerechtere Welt für alle leisten können. Als Ergebnis der Kongressdebatten präsentieren wir die Kasseler Erklärung 2024.
Wir richten Forderungen an die Politik auf Bundes- und Landesebene, um gemeinsam zu einem Globalen Lernen und einer Bildung für nachhaltige Entwicklung als ganzheitliche Bildungskonzepte zu kommen. Diese müssen finanziell auf stabilen Füßen stehen, diskriminierungssensibel, machtkritisch, dekolonial, demokratisch und partizipativ sein sowie einen Beitrag zur globalen sozial-ökologischen Transformation erbringen.
Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung: Menschen ermutigen und befähigen, Krisen solidarisch zu lösen!
Derzeitige Krisen und Herausforderungen sind nicht im nationalen Rahmen zu verstehen: Umwelt- und Klimakrise, Krieg und Militarisierung, Armut, das Erstarken nationalistischer und rechtsextremer Strömungen und Positionen, die Ausbeutung endlicher Ressourcen, Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen haben globale und historische Ursachen sowie Auswirkungen. Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung machen globale Verflechtungen versteh- und erfahrbar, sie stärken ein friedliches und respektvolles Miteinander und ermutigen Verantwortung für sich, andere und künftige Generationen zu übernehmen.
Angesichts der genannten globalen Herausforderungen brauchen alle Menschen, Erwachsene, Jugendliche und Kinder, Kompetenzen, mit denen sie sich in einer globalisierten Welt zurechtfinden und diese verantwortungsvoll und mit solidarischer Haltung sowie Visionen gestalten können. Hierzu gehören die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, die Reflexion der eigenen Rolle in globalisierten Gesellschaften, die Analysefähigkeit global-lokaler Zusammenhänge und die Wertschätzung von Vielfalt. Um dies zu gewährleisten, müssen Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung Teil aller Bildungsbereiche entlang des lebenslangen Lernens werden - von der frühkindlichen Bildung bis in die Senior:innenarbeit.Das erfordert beispielsweise im Sozialraum Schule das Mitwirken von Schulträgern, Schulleitungen, Lehrpersonen und außerschulischen Partner:innen.
Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung entfalten zunehmend in Unternehmen, Gewerkschaften, Sportvereinen, Kunst- und Kultureinrichtungen sowie religiösen Institutionen Wirkung für verantwortungsvolles Handeln. Gerade in der Fort-, Weiter-, und Erwachsenenbildung sind zivilgesellschaftliche Organisationen für gelingendes Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung unverzichtbar. Diese Akteur:innen zu befähigen, zu unterstützen und zu stärken ist Aufgabe der Politik, die die Rahmenbedingungen für ein gelingendes Globales Lernen und eine Bildung für nachhaltige Entwicklung in formalen und non-formalen Kontexten herstellt.
Forderungen an die Politik
Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung brauchen entsprechend Rahmenbedingungen und Rückhalt. Daher fordern wir von den verantwortlichen Akteur:innen auf Landes- und Bundesebene, sich für Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung als wichtigen Teil einer sozial-ökologischen Transformation einzusetzen. Dazu gehört das Voranbringen der strukturellen Verankerung von Globalem Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung in diversen formalen und non-formalen gesellschaftlichen Lern- und Fortbildungskontexten. Haushaltskürzungen stehen dem fundamental entgegen!
1.
Die für Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung bereitgestellten Mittel im Bundes- und in den Landeshaushalten müssen deutlich erhöht werden. Es braucht strukturell abgesicherte Finanzierung für non-formale Anbieter:innen von Globalem Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung durch die verantwortlichen Bundes- und Landesministerien. Zentral dafür sind längere Projektlaufzeiten, ressortübergreifende Finanzierungen und institutionelle Förderungen, die Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung von den prekären Arbeitsverhältnissen und dem kurzfristigen Planungshorizont lösen und Vernetzung ermöglichen. Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung sind gleichzeitig auch Demokratiebildung, Antirassistische Bildung, Politische Bildung und Interkulturelle Bildung (etc.), das steht einer strikten Trennung dieser Bereiche entgegen.
2.
Es braucht klare Zuständigkeiten bei Ansprechpartner:innen in den Ministerien der Länder und des Bundes sowie gut ausgestattete BNE-Koordinator:innen unabhängig von staatlichen Stellen angebunden an die Zivilgesellschaft.
3.
Es braucht zeitliche und finanzielle Ressourcen für Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Verstetigung des lebenslangen Lernens. Das betrifft vor allem Lehrpersonen, Lernbegleiter:innen und Bildner:innen in jeglichen formalen und non-formalen Bildungseinrichtungen. Dafür braucht es vor allem Globales Lernen und Bildung für
nachhaltige Entwicklung als verpflichtende Bestandteile in den Weiterbildungsgesetzen der Länder, den Lehrkräfteausbildungsgesetzen und den Ausbildungsinhalten (pädagogischer) Berufe. Für Universitäten und Berufsschulen bedeutet das, Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Curricula sowie den Studien- und Prüfungsordnungen zu verankern.
4.
Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung sind mehr als Wissensvermittlung und müssen als whole-institution-approach in den formalen Bildungsinstitutionen gedacht, praktiziert und umgesetzt werden. Für die Umsetzung der strukturellen Verankerung in Institutionen braucht es spezifisches verantwortliches Fachpersonal, Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie ein Budget zur Realisierung von Projekten und der Etablierung von Strukturen im institutionellen Kontext.
5.
Heutige globale Ungleichheiten und Rassismus sind auch das Erbe des deutschen und europäischen Kolonialismus. Gegenwärtige globale Machtstrukturen sind historisch gewachsen. Dekoloniale Perspektiven und die Auseinandersetzung mit Kolonialismus sind deswegen ein wichtiger Teil von Globalen Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung und müssen als solche förderbar sein. Migrantische und Diaspora-Organisationen sind eine tragende Säule des Globalen Lernens und der Bildung für nachhaltige Entwicklung und bringen erfahrungsbasierte und reflektierte (Süd-)Perspektiven in die Bildungsarbeit ein. Zu wenig werden migrantisch-diasporische Organisationen und ihre Expertise wahrgenommen. Die stärkere Förderung speziell dieser Akteur:innengruppen ist für die strukturelle Verankerung sowie inhaltliche Weiterentwicklung von Globalem Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung von zentraler Bedeutung.
6.
Diskriminierungssensibilität muss auf allen Ebenen gefordert und gefördert werden. Scheinbar selbstverständliche Weltsichten und Annahmen werden auch durch Förderstrukturen und vorherrschende Wissenshierarchien reproduziert. Um Ausgrenzungen und Diskriminierung zu vermeiden, braucht es bereits in der Erarbeitung und Etablierung von Förderstrukturen und Rahmenbedingungen die Partizipation von Menschen mit diversen und marginalisierten Perspektiven. Dafür braucht es zeitliche und ökonomische Ressourcen. Förderrichtlinien brauchen Erläuterungen in Einfacher Sprache und Hilfestellungen beim Umgang mit Bürokratie. Bürokratische Prozesse müssen insgesamt vereinfacht werden.
Referenzen unserer Positionen
Politische Rahmenpapiere auf internationaler und nationaler Ebene tragen zur Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung bei. Dazu zählen insbesondere:
- Der Nationale Aktionsplan für Bildung für nachhaltige Entwicklung 2030
- Der Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung 4
- Die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule (2024)
- Das UNESCO-Programm BNE 2030
- Die Berliner Erklärung zu BNE (2021)
- Der europäischen Erklärung zum Globalen Lernen bis 2050 (Dublin Declaration)
In der Praxis fehlen wichtige Schritte zur Umsetzung dieser bereits auf höchsten Ebenen beschlossenen Referenzrahmen. Hier müssen die politischen Entscheidungsträger:innen auf Landes- und Bundesebene handeln und Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung finanziell und in der Verankerung in Bildungsplänen mehr Gewicht verleihen!
Wir verstehen Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung im Sinne einer politischen Bildung, die zu demokratischer Teilhabe, Eigenverantwortung, Selbstreflexivität und Mündigkeit befähigt und sich dabei an den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung und den Menschenrechten orientiert. Im Kontext der Frankfurter Erklärung für eine kritische-emanzipatorische politische Bildung verstehen wir Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung als Bildung, welche Menschen dazu ermutigt Krisen solidarisch und kollektiv auszuhandeln, Konflikte und Kontroversen sichtbar zu machen, die Eingebundenheit in Machtstrukturen offenzulegen und Verantwortung für die Gegenwart und zukünftige Generationen zu übernehmen.