Dr. Astrid Arnberger ist die Leiterin für Forschung & Entwicklung des Unternehmens Saubermacher. Die Saubermacher Dienstleistung AG ist ein österreichisches Unternehmen im Bereich der Abfallentsorgung und –verwertung. Dr. Astrid Arnberger kennt sich mit der Kreislaufwirtschaft und Industriebatterien von E-Autos aus und weiß, welche Chancen und Hürden in den nächsten Jahren auf das Recyclingsystem zukommen werden.

Dr. Arnberger, was versteht man unter Kreislaufwirtschaft?

Ziel ist es in der Kreislaufwirtschaft, die Rohstoffe so gut wie möglich im Kreis zu führen und keine neuen Rohstoffe zu benötigen oder schon einmal verwendete Rohstoffe zu deponieren. Im Bereich von Batterien geht es darum, dass wir die wertvollen Rohstoffe so gut wie möglich in den Produktionszyklus zurückbekommen.

Gibt es eine Schätzung, bis wann Industriebatterien komplett recycelbar sein werden und die Kreislaufwirtschaft komplett geschlossen ist?

Die Kreislaufwirtschaft komplett zu schließen, ist schwer machbar. Bei manchen Stoffen ist der Aufwand bisher noch zu groß, sie wieder zurück in den Kreislauf zu führen, so dass es noch nicht sinnvoll ist, sie zu recyceln. Wenn immer mehr Ressourcen hineingesteckt werden müssen, um den Kreislauf komplett schließen zu können, ist es wirtschaftlich und ökologisch nicht mehr ratsam, dies zu tun. Außerdem beeinflusst auch die Art der Batterie ihre Kreislauffähigkeit. In einer Batterie sind viele Bestandteile miteinander verbunden. Um den Kreislauf zu schließen muss die Batterie in diese einzelnen Bestandteile zerlegt werden um die Rohstoffe rückzugewinnen. Für ein zielgerichtetes Recycling sind daher viele verschiedene Arbeitsschritte notwendig. Man wird erst mit der Zukunft sehen, wie weit das mit den einzelnen Bestandteilen der Batterie umsetzbar ist. Auf mögliche Lösungen, die den Aufwand, bestimmte Rohstoffe zu recyceln, profitabler machen, gehe ich später noch ein.

Wenn durch die steigende Unterstützung der E-Mobilität immer mehr Industriebatterien  hergestellt werden, wird dann eine fast geschlossene Kreislaufwirtschaft ausreichen, um genügend Rohstoffe aus eigener Wirtschaft zu erbringen? Oder werden wir weiterhin auf den Rohstoffabbau angewiesen sein?

Unseren jetzigen Bedarf an Rohstoffen werden wir nicht mit Sekundärstoffen aus der Recyclingroute decken können. Dafür ist unser Rohstoffhunger viel zu groß. Wenn man sich die Lithium-Ionen-Batterie anschaut, die als Industriebatterie immer stärker verwendet wird, werden bei einem Mittelklassewagen mit einer Batterie von rund 440 kg, rund sechs Kilogramm Lithium benötigt. Außerdem werden die Rohstoffe einer Industriebatterie, die jetzt auf den Markt kommt, dem Recyclingsystem erst in sieben bis zehn Jahren zur Verfügung stehen. In Anbetracht des Wachstums der E-Mobilität werden wir in zehn Jahren viel mehr Rohstoffe benötigen, als wir das jetzt tun. Durch das Recycling werden aber nicht genügend Rohstoffe für neue Industriebatterien zur Verfügung stehen. Primäre Rohstoffe sind daher so oder so ein Muss.

Was muss passieren, damit das Recyclingverfahren für die Industriebatterie des E-Autos großflächig umgesetzt wird?

Die Lithium-Ionen-Batterie steckt noch in der Entwicklung. Somit werden Aufbau und System der Batterie noch variieren. Die Batterien, die jetzt auf den Markt kommen, unterscheiden sich von denen, die vor fünf Jahren auf den Markt gekommen sind. Die momentan recycelten Batterien sind also sehr viel Ausschussware, da sich das Recyclingsystem durch die variierenden Batterien noch nicht anpassen konnte. Momentan versucht man, ein möglichst universelles Recyclingverfahren zu etablieren, das Schwankungen in Aufbau und System der Batterie noch gut verarbeiten kann. Wenn sich etwas im Aufbau der Batterie ändert, soll es keine großen Folgen für das Recyclingsystem haben. Denn ein festgelegter Aufbau ist noch nicht absehbar. Vielleicht wird die Lithium-Ionen-Batterie noch durch eine andere Batterie ersetzt, so, wie sie gerade immer stärker den Nickel-Metall-Hybrid-Akku ersetzt. Einerseits wird die Zeit ein Standardisieren der Batterie ermöglichen, auf die man das Recyclingverfahren besser abstimmen kann. Andererseits werden auch die Mengen der in Zukunft zurückkommenden Batterien ein Anpassen des Recyclingsystems ermöglichen. Zudem gibt es auch immer stärkere gesetzliche Forderungen, die den Hersteller zum Recyceln verpflichten. Dadurch, dass also immer mehr Hersteller auf den Dienst des Recyclingsystems angewiesen sind, kann dieses nach immer mehr Lösungen forschen und sein Verfahren ausbauen.

Sie meinten gerade, dass es noch nicht profitabel ist, das Recyclingsystem auf eine bestimmte Batterie zu spezialisieren.

Bei Batterien schaut man sich an, welche Wertstoffe rückgewonnen werden können. Bei der Lithium-Ionen-Batterie sind vom Preislichen her am interessantesten Kobalt, Nickel, Kupfer, Stahl und Aluminium. Auch wenn sie Lithium-Ionen-Batterie heißt, sind weit mehr Rohstoffe in ihr verarbeitet als nur Lithium. Lithium ist auch eines der am schwierigsten zu recycelnden Elemente, weil es ein sehr unedles Metall ist. Um es zurückzugewinnen, braucht man einen dementsprechenden Aufwand, der sich wirtschaftlich noch nicht lohnt. Deswegen gibt es gerade zwei Möglichkeiten, um einen solchen Aufwand in Zukunft profitabler zu machen: Entweder wird Lithium als Ressource verknappt, sodass der Preis steigt und das Recyceln von Lithium lukrativer wird. Oder man hat gesetzlich vorgegebene Recyclingquoten, die man erreichen muss. Für Lithium ist eine solche Quote gerade in Planung.

Braucht es denn noch strengere Rahmenbedingungen von den Regierungen?

Das glaube ich nicht. Es ist gerade eine europäische Batterieverordnung in Diskussion, die die Recyclingeffizienz der Batterie auf 80% anheben soll. Diese Verordnung wird dann auch eigene Quoten für Nickel, Kobalt, Kupfer und Lithium vorschreiben, die erreicht werden müssen. Im Moment ist die Kreislaufwirtschaft noch von den optimalen Abläufen entfernt, da noch nicht genügend Batterien zurückkommen. Die Recyclinganlagen sind also auch noch nicht komplett ausgelastet. Diese Herausforderung wird sich aber mit dem Batteriezuwachs der nächsten Jahre lösen lassen.

Gibt es eine Möglichkeit die Umweltverträglichkeit eines E-Autos mit der des Verbrenners zu vergleichen?

E-Autos und Verbrenner kann man über LCAs (Life Cycle Analysis) miteinander vergleichen. Da man schlecht die Batterie des E-Autos mit dem Motor des Verbrenners vergleichen kann, muss man sich die gesamte Lebensdauer der Autos inklusive Herstellung, Nutzung und Recycling anschauen. Daher kann man nur ganze Fahrzeuge miteinander vergleichen. Beim Elektroauto kommt es ganz stark darauf an, woher der Strom bezogen wird, mit dem es betrieben wird. Und das kippt den LCA entweder ins Positive oder Negative.

Wie sieht es denn mit der Nutzungsdauer der Industriebatterie aus?

Die Nutzungsdauer der Batterie im E-Auto wird auf sieben bis zehn Jahre geschätzt. Man weiß es aber nicht genau, da es noch keine E-Autos gibt, die sieben bis zehn Jahre in Nutzung waren.  Die Nutzungsdauer wird von vielen Faktoren beeinflusst, unter anderem wie ich die Batterie auflade. Ständiges Schnellladen wirkt sich negativ auf die Batterie aus. Handys sind ein gutes Beispiel, um zu sehen, wie ein Akku funktioniert, was er kann und was nicht. Grundsätzlich sind es bei dem E-Auto die gleichen Probleme.

Die Reparaturfähigkeit verändert sich in den letzten Jahren in eine positive Richtung. Dieser baut seine Fahrzeuge immer modularer auf. Es gibt also ein und dasselbe Fahrzeug in verschiedenen Ausstattungsformen. Da sind mengenmäßig mal mehr oder weniger Module drin, aber es sind immer dieselben. Diese Gleichheit der Module wirkt sich automatisch positiv auf die Reparaturfähigkeit aus, da es jetzt leichter ist, die Module auszutauschen. Wenn heute also ein Modul der Batterie kaputt ist, muss man nur das eine Modul ersetzen und nicht die gesamte Batterie.

Auf Zellebene, also dem Innenleben der Batterie, ist der Aufwand einer Reparatur erheblich größer und wird bisher noch nicht stark ins Auge gefasst. Die einzelnen Zellen sind häufig verschweißt. Beim Komponententausch muss unter anderem geachtet werden, dass auch circa gleich gealterte Module beziehungsweise Zellen wiedereingesetzt werden. Das Alter der verschiedenen Bestandteile sollte also möglichst gleich sein.

Ist das Second-Life-System eine gute Art, die Batterie weiter zu verwenden?

Eine Industriebatterie verliert bei der Nutzung im E-Auto kontinuierlich an Leistung. Nach etwa zehn Jahren stehen nur noch rund 70 bis 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität zur Verfügung, was sie für die Nutzung im E-Auto einschränkt.

Mithilfe des Second-Life-Systems lassen sich diese Batterien jedoch in stationären Speichern – etwa in Ladestationen für E-Autos – weiterverwenden. Das ist an sich ein gutes Konzept, aber es birgt auch gewisse Gefahren. Die Batterie ist ein elektro-chemisches System, in das man schlecht hinein schauen kann. Man kann ihre Funktionalität nicht wie bei einem Elektrogerät überprüfen. Es kann sein, dass bei dem Weiterverwenden der Batterie einfach nur eine Komponente ausfällt. Es ist aber auch möglich, dass sie einen Defekt hat und zu brennen anfängt. Dann hat man einen riesigen Schaden. Zwar kann man mit so genannten Re-Use-Projekten den Zustand der Batterie und der einzelnen Module immer besser herausfinden. Doch mengenmäßig kommen  noch nicht genügend Batterien zurück, als dass man den Re-Use-Bereich schon ausbauen könnte. Dies wird erst mit der Zeit kommen.

Ist das Limit der Leistung der Industriebatterie schon erreicht oder kann es noch  ausgebaut werden? 

Tatsache ist, dass wir noch nicht am Ende der Entwicklung sind. Es wird also in allen Bereichen geforscht, um die Bestandteile zu optimieren. Man muss jedoch beachten, dass eine Batterie, je besser ihre Leistung zum Beispiel bei der Energiespeicherfähigkeit wird, umso empfindlicher gegenüber anderen Einflüssen werden kann, da sie dann in immer engeren Parametern funktioniert. Je mehr wir sie in einem Bereich trimmen, desto schwieriger kann in einem anderen Bereich das Handling sein. Dadurch können wir nicht alle Komponenten verbessern, aber die gesamte Leistungsfähigkeit des E-Autos wird dennoch noch steigen.

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